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Bundesverwaltungsgericht stoppt Berliner Praxis zur Ausübung des Vorkaufsrechts

Inhaltsverzeichnis

I. Ausgangsfall — Praxis der Berliner Bezirke

1. Der zu entscheidende Sachverhalt

In dem Ausgangsfall wandte sich eine Immobiliengesellschaft gegen die Ausübung des kommunalen Vorkaufsrechts. Sie hatte im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ein mit 20 Wohnungen und zwei Gewerbeeinheiten bebautes Grundstück erworben. Dieses liegt im Geltungsbereich einer sogenannten „Milieuschutzsatzung“ im Sinne des § 172 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BauGB (Baugesetzbuch), die der Erhaltung der gleichbleibenden Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen dient. Dieser Milieuschutz gilt in Berlin (Stand: November 2020), für etwa ein Drittel der Wohnungen.

Vorliegend hatte das Bezirksamt das Vorkaufsrecht zugunsten einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft ausgeübt. Ihr Ziel war die Prävention der Gefahr, einer Änderung von bestehenden Bevölkerungsstrukturen, die sich durch einen neuen Eigentümer erwartungsgemäß realisieren könnte, indem die Wohnungen aufgewertet und Mieten erhöht oder Wohnungen in Eigentum umgewandelt würden.

2. Praxis der Berliner Bezirke

Beim Verkauf eines Grundstücks in einem städtebaulichen Erhaltungsgebiet bietet der Bezirk dem Erwerber eine vertragsstrafenbewehrte Vereinbarung zur Abwendung des Vorkaufsrechts an. Dem Inhalt der Vereinbarung nach, soll der Käufer für 20 Jahre insbesondere auf Aufteilung, Modernisierungen und energetische Sanierungen verzichten und sich diesbezüglich einer Vertragsstrafe bei Verstoß unterwerfen.

Lässt sich der Erwerber auf die Vereinbarung nicht ein, so schließt das Bezirksamt aus eben diesem Umstand, dass der Erwerber in der Zukunft Absichten verfolgt, mit denen das Ziel der Erhaltungssatzung beeinträchtigt wird, und übt das Vorkaufsrecht gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 4 BauGB aus – oft zugunsten der Wohnungsbaugesellschaften.

II. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

Die entscheidende Frage für die Rechtmäßigkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts liegt laut Bundesverwaltungsgericht in der Frage des entscheidungserheblichen Zeitraums.

Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 BauGB hier in unzulässigerweise Weise ausgeübt worden sei. Dafür spricht der Wortlaut der Norm des § 26 Nr. 4 BauGB. Danach ist die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen oder Zwecken der städtebaulichen Maßnahmen bebaut „ist“ und genutzt „wird“ sowie eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel im Sinne des Modernisierungs- und Instandsetzungsgebots aufweist.

Damit ist der Wortlaut der Norm über das Vorkaufsrecht eindeutig und ausschließlich auf die tatsächlichen Verhältnisse gerichtet. Von einer anderen Auslegung sieht das Gericht ab. Ein Vorkaufsrecht ist mithin abzulehnen, wo ein Grundstück bereits so genutzt wird, wie es der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung entspricht, da eine Kommunalisierung von Wohnungsbeständen als Selbstzweck oder gar als Mietendämpfungsmaßnahme im BauGB keine Anwendung findet. Somit gibt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dem Vorkaufsrecht wieder seine städtebauliche Funktion.

III. Praxishinweis

Von einer vorschnellen Unterzeichnung einer Abwendungsvereinbarung sollte Abstand genommen werden. Es lohnt sich, das Gespräch mit den Bezirksämtern zu suchen.

Durch das Urteil ist eine gewisse Rechtssicherheit gewonnen, zumal der Anwendungsbereich des Instruments „Vorkaufsrecht“ wesentlich eingeschränkt worden ist. Die Bezirksämter der Stadt Berlin haben bereits auf das Urteil reagiert und werden zukünftig nicht mehr vorschnell von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen.

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