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Welchen Einfluss hat mein Nachbar auf mein Bauvorhaben?

Inhaltsverzeichnis

Was ist vor dem Beginn des Bauvorhabens zu beachten?

Planen Sie ein Bauvorhaben, sollten Sie immer die Umgebung berücksichtigen. Besonders zu beachten ist dabei:

  • Welche Nachbarn sind in welchem Maß beim Baugenehmigungsverfahren mit einzubeziehen? Dies ist in der Landesbauordnung der jeweiligen Bundesländer geregelt. 
  • Welche rechtlich bestimmten Aspekte des Nachbarn dürfen nicht beeinträchtigt werden? In der Rechtsprechung gibt es dabei einige Vorschriften, die zu beachten sind.

Wer sollte bei einer Baugenehmigung über das Bauvorhaben informiert werden?

Wer im Baugenehmigungsverfahren über das Bauvorhaben informiert werden soll, ist in der Bauordnung geregelt. Dabei gibt es in allen Bundesländern unterschiedliche Vorschriften. In Baden-Württemberg reicht es beispielsweise, den Eigentümer von angrenzenden Grundstücken zu informieren, während in Bayern alle Nachbarn informiert werden müssen. 

Nachbarn sind nach bayerischer Bauordnung alle „Eigentümer benachbarter Grundstücke“. Mieter oder Pächter zählen nicht unter den Begriff des Nachbarn. Bei einer Eigentümergemeinschaft genügt es, den Verwalter zu benachrichtigen. Grund für diese Regelungen ist, dass das öffentliche Baurecht nicht personenbezogen ist und es beim Baugenehmigungsverfahren hauptsächlich um die Auswirkungen eines Bauvorhabens auf das Grundstück und nicht dessen Bewohner geht. Würden sämtliche Mieter miteinbezogen werden, würde dies zu einer schnellen Unübersichtlichkeit führen. Besonders, wenn es sich um große Wohnkomplexe handelt, in denen es häufig zu Mieterwechseln kommen kann. 

Neben dem Eigentümer gibt es auch ihm gleichgestellte Personen wie beispielsweise Erbbauberechtigte. Käufer eines Grundstücks werden in vielen Fällen auch als Nachbar betitelt und sind so über das Bauvorhaben zu informieren.

Nachbar ist nicht gleich Nachbar – wer muss alles informiert werden?

Unter einem Nachbar werden nicht immer nur die Eigentümer oder ihm gleichgestellte Personen des direkt benachbarten Grundstücks verstanden. Manche Bauvorhaben haben nicht nur Einfluss auf die direkt angrenzenden Grundstücke, sondern auch auf entferntere Grundstücke. Wird beispielsweise eine Gewerbeimmobilie gebaut, kann der Lärm die direkten Nachbarn betreffen sowie auch die Nachbarn auf der anderen Straßenseite oder ganze Wohngebiete. 

Ob auch Eigentümer von nicht direkt angrenzenden Grundstücken informiert werden sollen, ist nicht ganz klar. Die Landesbauordnung von Baden-Württemberg regelt, dass Eigentümer von angrenzenden Grundstücken innerhalb von fünf Tagen nach Eingang der Bauvorlagen informiert werden müssen. Gleichzeitig erklärt die Regelung, dass Eigentümer mit nicht direkt angrenzenden Grundstücken, informiert werden können. Eine Pflicht besteht demnach nicht. 

Dennoch ist es ratsam, möglichst alle Beteiligten zu informieren, um ungewünschten Widerständen aus dem Weg zu gehen. Hat der Bau erst einmal begonnen, befinden sich Sie als Bauherr immer in einer schlechteren Verhandlungsposition. Wird Klage eingereicht, können Sie diese mit einer Entschädigungssumme abwehren. Das Geld können Sie sich jedoch einfach sparen, indem Sie frühzeitig alle Beteiligten mit in Ihr Baugenehmigungsverfahren einbeziehen.

Wie sind die notwendigen Beteiligten zu informieren?

Je nach Bundesland muss dem Nachbarn oder dem Eigentümer die Bauvorlagen vorgelegt werden. Diese bestehen aus einem Lageplan und Bauzeichnungen. Stimmen die Beteiligten dem Bauvorhaben zu, haben sie die Bauunterlagen zu unterschreiben. Haben sie dagegen Einwände, können sie die Unterschrift verweigern. In diesem Fall müssen Sie die Baugenehmigung erhalten. Erhebt der Nachbar oder Eigentümer immer noch Einwände, kann er Widerspruch oder eine Klage einreichen.

Achtung! 
Beim Vorlegen der Bauvorlagen bei den Eigentümern ist auf Vollständigkeit und Verständlichkeit zu achten! Es gab Präzedenzfälle, in denen Nachbarn nachträglich Klage eingereicht haben, da aus den Unterlagen nicht ersichtlich war, welches Vorhaben genau verfolgt wurde. Um dies zu verhindern, sollten Sie als Bauherr unbedingt darauf achten, dass sowohl die Maßangaben genau sind als auch, dass alle Unterlagen für jeden verständlich sind.

Welche nachbarschützenden Vorschriften sind zu beachten?

Die Regelungen des Nachbarschutzes unterscheiden sich in den verschiedenen Bundesländen und von Fall zu Fall stark. So sollte jeder Fall einzeln betrachtet und über mögliche Vorschriften Informationen eingeholt werden. Grundsätzlich gibt es verschiedene nachbarschützende Vorschriften:

  • Abstandsflächen
  • Gebietsverträglichkeit
  • Rücksichtnahmegebot
  • Andere Vorschriften (beispielsweise über Standsicherheit, Brandschutz, Brandwände

Nachbarschutz: Abstandsflächen

Die Flächen dienen der Belichtung und Belüftung zwischen baulichen Anlagen. In einigen Fällen gibt es verschiedene Ausnahmen, bei denen eine Unterschreitung der Abstandsfläche zulässig sein kann. Abgesehen davon ist in den meisten Fällen auf eine Einhaltung zu achten. Wird die Abstandsfläche aus bösartigem Handeln unterschritten, kann dies schwerwiegende Folgen haben und auch zu einem Abriss führen. Ein Unterschreiten der Fläche ohne Vorsatz zieht meist nur eine Entschädigung nach sich. Mehr zum Thema Abstandsflächen finden Sie in folgendem Artikel Was versteht man unter Grenzbebauung? - Wie berechnet man Abstandsflächen?

Nachbarschutz: Gebietsverträglichkeit

Es ist darauf zu achten, dass eine bauliche Anlage in einen Gebietscharakter passt. So kann beispielsweise eine Gewerbeimmobilie selten in einem reinen Wohngebiet errichtet werden. Festgelegt sind solche Gebietscharaktere im Bebauungsplan. Darin sind sowohl die städtebauliche Ordnung und Entwicklung als auch Nutzungen im Wohle der Allgemeinheit geregelt. Daraus ergeben sich schließlich die Arten der baulichen Nutzung, die als nachbarschützend gelten.

Nachbarschutz: Rücksichtnahmegebot

Im Sinne des Rücksichtnahmegebots sollen bauliche Vorhaben nur umgesetzt werden, wenn diese dem Nachbarn zumutbar sind und seine Lebensqualität nicht einschränken. Zu klären ist dabei die Frage, welche Maßnahmen zumutbar sind und welche nicht. Oft fällt es Gerichten schwer in diesem Punkt eine allgemeingültige Lösung zu formulieren. 

Fallbeispiel 1: Ein Spielplatz in einem Wohngebiet ist zumutbar, da er unter anderem den dort lebenden Kindern dienen soll. 

Fallbeispiel 2: Bei einem Kindergarten ist die Zumutbarkeit stark von seiner Größe abhängig.

Fallbeispiel 3: Ein neu errichteter Getränkemarkt in einem Wohngebiet kann die Lebensqualität der Bewohner aufgrund des höheren Lärmpegels beeinträchtigen und kann so in vielen Fällen als unzumutbar gelten.

Fallbeispiel 4: Will ein Bauer seine Viehzucht erweitern, die am Rand eines Wohngebiets liegt, können Klagen bezüglich der Geruchsbelästigung abgelehnt werden. Der Grund: Das Wohngebiet ist vorbelastet und es war schon beim Einzug mit einem stärkeren Geruch des Bauernhofs zu rechnen.

Welche weiteren Vorschriften gibt es noch?

Neben den Vorschriften im Baugesetzbuch gibt es noch unzählige weitere Vorschriften. Paragraf fünf im Gaststättengesetz besagt beispielsweise:

Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können jederzeit Auflagen zum Schutze (…) gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit erteilt werden.

Dieses Gesetz regelt also, dass ein Gaststättenbetrieb im räumlichen und zeitlichen Sinn eingeschränkt werden kann, sodass die Belästigung dem Nachbarn zuzumuten ist.

Wann kann eine Klage eingereicht werden und was hat diese für Folgen?

Eine Klage der Nachbarn kann nur wirksam eingereicht werden, wenn das Bauvorhaben gegen öffentlich-rechtliche oder nachbarschützende Vorschriften verstößt. Liegt in diesem Fall die Baugenehmigung vor und wurde sie zur Kenntnis genommen, haben Beteiligte einen Monat Zeit, um eine Klage einzureichen. Wird die Baugenehmigung nicht zur Kenntnis genommen, verlängert sich die Frist auf ein Jahr. Dabei ist zu beachten, dass oft der Start der Bauarbeiten als Kenntnisannahme gewertet wird. 

Bei einem eingereichten Widerspruch ist die Behörde dazu verpflichtet die Baugenehmigung auf Verstöße zu überprüfen. Gibt es keine, wird die Klage höchstwahrscheinlich abgewiesen. 

Kommt es zum Bau, ist während der Bauphase einiges auszuhalten. Dabei ist die Faustregel, dass alles ertragen werden muss, was für die Baumaßnahme zwingend notwendig ist und nicht länger als nötig dauert. Ist es dennoch beispielsweise wegen des Lärms oder aus anderen Gründen unzumutbar, kann beim Bauherren immer eine Schadensersatzsumme angefragt werden. 

Beispiel: Durch den Baulärm kann Person A ihre Ferienhäuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite nicht vermieten. Sie fordert Schadensersatz. Das Gericht erlässt ihr den Ausgleich der Mieten, die Person A während des Zeitraums eingenommen hätte.

Ist ein Rechtsstreit aufgrund eines Widerspruchs während der Baumaßnahmen noch nicht geregelt, kann ein Antrag auf Aussetzen der Vollziehung eingereicht werden. Die Baumaßnahmen sind demnach zu stoppen, bis der Rechtsstreit beendet wurde.

Wird das Bauvorhaben gebaut, verstößt jedoch gravierend gegen rechtliche Vorschriften, kann es im Extremfall auch zu Erteilung eines Rückbaus oder eines Abbruchs führen.

Fazit

Sie sollten in jedem Fall Ihre künftigen Nachbarn frühzeitig über den geplanten Bau informieren. Diese können die Baugenehmigung zur Kenntnis nehmen oder Klage einreichen. Ob einer Klage stattgegeben wird, ist von Fall zu Fall sehr unterschiedlich und es müssen viele Vorschriften dabei beachtet werden. So kann es auch dazu führen, dass Gerichte bei scheinbar ähnlichen Fällen unterschiedliche Urteile sprechen.

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