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Kann der Nachbar die Zustimmung zur Grenzbebauung verweigern?

Inhaltsverzeichnis

Nachbarrecht - Welche Rolle spielen die Grundstücksnachbarn im Baugenehmigungsverfahren?

Die Antwort: Sie spielen eine große Rolle! Denn ein Grundstück ist immer eingebettet in seine Umgebung; weder kann das Grundstück losgelöst von der Umgebung betrachtet werden, noch die Umgebung losgelöst vom Grundstück. Die Bebauung eines Grundstücks beeinflusst damit immer auch die Umgebung des Grundstücks und damit zumindest potenziell die Belange der Nachbarn. 

Zwei Wege hält der Gesetzgeber bereit, um die Belange der Grundstücksnachbarn zu schützen: Zum einen ist schon im Baugenehmigungsprozess eine Beteiligung der Nachbarn vorgesehen. Zum anderen gibt es aber auch die Möglichkeit, als Nachbar gegen eine erteilte Baugenehmigung Widerspruch einzulegen, wenn entsprechende Vorschriften verletzt werden. Mehr zu den verschiedenen nachbarschutzrechtlichen Vorschriften erläutern wir nach einem Blick in das Mitspracherecht des Nachbarn im Baugenehmigungsprozess.

Nachbarrecht - Wer muss als Nachbar im Genehmigungsprozess beteiligt werden? Wie läuft die Beteiligung ab?

Die Beteiligung der Nachbarn im Baugenehmigungsprozess ist in den Länderbauordnungen geregelt. Zwar enthalten alle Landesbauordnungen entsprechende Regelungen, allerdings unterscheiden diese sich je nach Bundesland – schon hinsichtlich der Definition, wer als Nachbar zu berücksichtigen ist. Beispielsweise werden in Baden-Württemberg zunächst nur die „Eigentümer angrenzender Grundstücke“ als Nachbarn im Genehmigungsverfahren berücksichtigt (§ 55 Abs. 1 LBO BW), in Bayern hingegen ist weniger eingeschränkt von „Eigentümern der benachbarten Grundstücke“ die Rede (Art. 66 Abs. 1 BayBO).

Allerdings sieht auch die baden-württembergische LBO vor, dass sonstige Nachbarn beteiligt werden können, wenn ihre nachbarlichen Belange beeinträchtigt sein könnten. Das kann etwa bei einem geplanten Großbetrieb der Fall sein, bei dem der von ihm ausgehende Lärm nicht nur auf angrenzenden Grundstücken, sondern auch auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu hören wäre.

Wohlgemerkt werden nur die Eigentümer, nicht aber Mieter oder Pächter der Nachbargrundstücke im Genehmigungsverfahren beteiligt. Das geschieht aus dem einfachen Grund, dass sich die Regelungen des öffentlichen Baurechts auf Grundstücke und nicht auf Personen beziehen. Davon abgesehen wäre eine Beteiligung der Mieter in der Praxis schwer umsetzbar: Nicht nur, dass sich der Kreis der Beteiligten erheblich vergrößern würde; auch laufende Veränderungen aufgrund von Mieterwechseln könnten eine solche Beteiligung extrem in die Länge ziehen. Allerdings legt zum Beispiel die bayerische Landesbauordnung ausdrücklich fest, dass der Eigentümer des Grundstücks auch die Rechte des Mieters oder Pächters wahrnimmt (Art. 66 Abs. 3 BayBO).

Auch den Ablauf der Beteiligung bestimmt die jeweilige Bauordnung des Bundeslandes. In Baden-Württemberg etwa muss die Gemeinde die Eigentümer der angrenzenden Stücke benachrichtigen, wenn die vollständigen Bauvorlagen vorliegen. Ab diesem Zeitpunkt haben die Nachbarn eine Frist von vier Wochen, um Einwände gegen das Bauvorhaben vorzubringen.

Eine Beteiligung aller Nachbarn, die vom Bauvorhaben betroffen sein könnten, ist in jedem Fall bereits im Genehmigungsprozess ratsam. Denn wie schon erwähnt, kann gegen eine bereits erteilte Baugenehmigung Einspruch eingelegt werden, wenn ein Nachbar seine Rechte verletzt sieht. Sind die Bauarbeiten dann schon in vollem Gange, ist die Verhandlungsposition des Bauherrn denkbar schlecht. Und selbst wenn noch vor dem Beginn der Bauarbeiten Klage eingereicht wird – Ärger ist damit auch verbunden, bedeutet es doch zumindest eine Zeitverzögerung für den Bau oder aber die Zahlung von Abstandssummen an den Kläger.

Nachbarrecht - Welche nachbarschutzrechtlichen Vorschriften gibt es?

Verschiedene nachbarschützenden Vorschriften sollen sicherstellen, dass bei allen Bauvorhaben die Rechte der Nachbarn gewahrt werden. Gleichzeitig gilt aber auch: Nur, wenn diese Vorschriften verletzt werden, kann Widerspruch gegen eine erteilte Baugenehmigung eingelegt werden – nicht aber, wenn nur die Interessen des Nachbarn beeinträchtigt werden. Beispielsweise kann eine Lebensmittelkette nicht einfach unter Berufung auf ihre Nachbarrechte Widerspruch gegen das Bauvorhaben eines Konkurrenten in der Nachbarschaft einlegen.

Es können drei Gruppen nachbarschutzrechtlicher Gesetze unterschieden werden, auf die wir nachfolgend näher eingehen werden:

  • der Nachbarschutz im Bauordnungsrecht, 
  • der Nachbarschutz im Bauplanungsrecht sowie
  • der Nachbarschutz aufgrund des Gebots der Rücksichtnahme.

Nachbarrecht - Nachbarschutz im Bauordnungsrecht

Das Bauordnungsrecht ist Sache der Länder, weshalb jedes Bundesland über eine eigene Landesbauordnung verfügt. Die Rechtsprechung kann demzufolge auch je nach Bundesland unterschiedlich sein, selbst wenn es um den gleichen Sachverhalt geht. Manche Regelungen in den Landesbauordnungen schützen nicht nur das Interesse der Allgemeinheit, sondern dienen dem besonderen Schutz des Nachbarn. Wichtige nachbarschützende Vorschriften betreffen beispielsweise:

  • Abstandsflächen,
  • den Betrieb von Baustellen,
  • die Standsicherheit eines Gebäudes,
  • den Brandschutz sowie 
  • die Anordnung von Stellplätzen.

Nachbarrecht - Nachbarschutz im Bauplanungsrecht

Anders als das Bauordnungsrecht ist das Bauplanungsrecht Sache des Bundes. Das Bauplanungsrecht bestimmt, welche Art der Bodennutzung zulässig ist – also: ob ein Grundstück überhaupt bebaut werden darf. Für den Nachbarschutz spielt vor allem die Art der baulichen Nutzung eine Rolle. Inwiefern die planungsrechtlichen Festsetzungen auch nachbarschützend sind, richtet sich dabei nach der Art des Planungsgebiets: Ist es durch einen Bebauungsplan geregelt oder handelt es sich um einen sogenannten „im Zusammenhang bebauten Ortsteil“?

Bei einem Bebauungsplan haben die Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung grundsätzlich auch eine nachbarschützende Funktion. Das bedeutet: Wenn Nutzungen zugelassen werden, die nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans entsprechen, werden damit Nachbarrechte verletzt. Quasi als Ausgleich dafür, dass ein Bebauungsplan natürlich in gewisser Weise Einschränkungen für das eigene Grundstück mit sich bringt, können die Grundstückseigentümer auch verlangen, dass sich die Nachbarn an diese Auflagen halten.

Regelungen zum Maß der baulichen Nutzung, zur überbaubaren Grundstücksfläche und zur Bauweise sind dagegen grundsätzlich nicht nachbarschützend. Wenn keine anderen Nachbarrechte verletzt werden, können die Nachbarn also keinen Einspruch erheben, wenn die Bauaufsichtsbehörde vom Bebauungsplan abweichende Bauvorhaben genehmigt – zum Beispiel ein viergeschossiges Gebäude, obwohl der Bebauungsplan nur eine dreigeschossige Bebauung vorsieht. 

Eine Ausnahme gilt, wenn diese Festsetzungen ausdrücklich auch das Nachbargrundstück schützen: Wenn beispielsweise die festgelegten Baulinien eines Grundstücks dem dahinterliegenden Grundstück eine größere Blickfläche zusichern, handelt es sich dabei durchaus um eine nachbarschützende Festsetzung des Bebauungsplans.

Die Zulässigkeit eines Bauvorhabens in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil regelt § 34 BauGB. Zwar existieren dort keine exakten Festsetzungen wie in einem Bebauungsplan. Dennoch muss sich ein Bauvorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen. Und wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem bestimmten Baugebietstyp aus der Baunutzungsverordnung entspricht (§ 1 Abs. 3 BauNVO), so greift dort der Nachbarschutz wie bei einem Bebauungsplan: Hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung muss sich das geplante Bauvorhaben genauso an die Vorgaben der Baunutzungsverordnung halten wie ein Bauvorhaben im Gebiet eines Bebauungsplans.

Nachbarrecht - Nachbarschutz aufgrund des Gebots der Rücksichtnahme

Anders sieht es aus, wenn die Eigenart der näheren Umgebung keinem bestimmten Baugebietstyp der BauNVO entspricht oder wenn das Bauvorhaben im Außenbereich geplant ist. Hier ist die Frage, ob nachbarliche Belange in unzumutbarer Weise beeinträchtigt werden, stets eine Einzelfallentscheidung. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Februar 1977 greift der Nachbarschutz nur dann, wenn „in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist“. 

Ob eine Norm nachbarschützend ausgelegt werden kann, muss auf Grundlage des Rücksichtnahmegebots entschieden werden. Das Rücksichtnahmegebot dient dazu, verschiedene Belange angemessen gegeneinander abzuwägen. Nach diesem Gebot müssen etwa Geräuschs- und Geruchsemissionen eines Bauvorhabens für die Nachbarn zumutbar sein. Das Gebot der Rücksichtnahme gilt gegenseitig; das heißt zum Beispiel, dass ein Gewerbebetrieb neben einer Wohnbebauung weniger emittieren darf als im reinen Gewerbegebiet, die Wohnhäuser aber auch höhere Emissionen in Kauf nehmen müssen als im reinen Wohngebiet. Welche Emissionen den Nachbarn zuzumuten sind, ist dabei stets eine Einzelfallentscheidung.

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