Vorfälligkeitsentschädigung bei einem Hausverkauf
Was ist eine Vorfälligkeitsentschädigung?
Eine Vorfälligkeitsentschädigung ist eine Gebühr, die ein Kreditnehmer an seine Bank zahlen muss, wenn er einen Darlehensvertrag vorzeitig kündigt oder tilgt – also bevor die vereinbarte Laufzeit des Kredits endet.
Der Hintergrund: Banken kalkulieren ihre Zinsen über die gesamte Laufzeit eines Kredits. Wird der Kredit vorzeitig zurückgezahlt, entgehen der Bank Zinseinnahmen, die sie ursprünglich eingeplant hatte. Deshalb kann die Bank nach § 502 Abs.1 BGB eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen, um den Verlust auszugleichen.
Vorfälligkeitsentschädigung umgehen: Wann man sie nicht zahlen muss
- 10-Jahres-Frist abgelaufen
- Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann ein Darlehen nach 10 Jahren ab vollständiger Auszahlung ohne Entschädigung gekündigt werden.
- Kreditkündigung durch die Bank wegen Zahlungsverzug
- Wenn die Bank wegen Nichtzahlung kündigt, darf sie nur Verzugszinsen, aber keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen (BGH, Urteil vom 19.01.2016, Az. XI ZR 103/15).
- Fehlerhafte Widerrufsbelehrung
- Ist die Widerrufsbelehrung fehlerhaft, kann der Kreditvertrag widerrufen werden und das Darlehen ohne Vorfälligkeitsentschädigung zurückgezahlt werden.
- Unzureichende Vertragsangaben
- Verträge müssen laut Wohnimmobilienrichtlinie (21.03.2021) genaue Angaben über Laufzeit, Kündigungsrecht und Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung enthalten.
- Fehlen diese Angaben oder sind unpräzise, entfällt der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung (§ 502 Abs. 2 BGB).
- Bauspardarlehen
- Bauspardarlehen können jederzeit kostenfrei zurückgezahlt werden.
- Variabel verzinste Baukredite
- Kredite mit variabler Verzinsung können oft mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist beendet werden, ohne dass eine Vorfälligkeitsentschädigung anfällt.
Wie hoch ist die Vorfälligkeitsentschädigung beim Hauskauf?
Die Höhe hängt von folgenden Faktoren ab:
- Restschuld des Kredits
– Je höher die Restschuld, desto höher fällt die Entschädigung aus. - Restlaufzeit der Zinsbindung
– Je länger die Bank auf Zinsen verzichten muss, desto mehr darf sie berechnen. - Aktuelle Marktzinsen
– Sind die Zinsen heute niedriger als beim Vertragsabschluss, verlangt die Bank mehr, weil ihr ein größerer Zinsverlust entsteht. - Erlaubte Sondertilgungen
– Wurden Sondertilgungen vertraglich vereinbart und nicht genutzt, müssen sie in der Berechnung berücksichtigt werden und senken die Entschädigung.
Typischer Richtwert
In der Praxis liegen Vorfälligkeitsentschädigungen oft zwischen 1–5 % der Restschuld, je nach Laufzeit und Zinsniveau.
Wie berechnet die Bank die Höhe genau?
Die Bank darf die Vorfälligkeitsentschädigung nur nach zwei gesetzlich zulässigen Methoden berechnen. Beide sollen ausschließlich den realen Zinsverlust der Bank ausgleichen – nicht mehr.
Aktiv-Aktiv-Methode
Die Bank vergleicht:
- Zinsen, die sie von Ihrem Kredit bis zum Ende der Zinsbindung bekommen hätte
mit - Zinsen, die sie stattdessen erhält, wenn sie das vorzeitig zurückgezahlte Geld heute neu anlegt (z. B. in Hypothekenpfandbriefen).
- Differenz = Vorfälligkeitsentschädigung
Je niedriger der aktuelle Marktzins im Vergleich zum ursprünglichen Kredit, desto größer fällt diese Differenz aus.
Aktiv-Passiv-Methode
Die Bank betrachtet:
- Welche Refinanzierungskosten sie ursprünglich hatte (also zu welchem Zins sie sich das Geld selbst geliehen hat)
- und wie sich diese Kosten durch die vorzeitige Rückzahlung verändern würden.
- Auch hier wird die Differenz der Zinserträge bzw. Kosten als Entschädigung berechnet.
Beispielrechnung: Vorfälligkeitsentschädigung
Ausgangsdaten
- Restschuld: 200.000 €
- Ursprünglicher Sollzins: 2,80 %
- Restlaufzeit der Zinsbindung: 5 Jahre
- Aktuelle Wiederanlagerendite (Pfandbriefe): 1,20 %
- Vertragliche Sondertilgung: 5.000 € pro Jahr möglich, bisher nicht genutzt
Schritt 1: Berechnung des Zinsertrags der Bank
Was hätte die Bank verdient, wenn der Kredit weitergelaufen wäre?
2,80 % von 200.000 € = 5.600 € pro Jahr
Für 5 Jahre:
5 × 5.600 € = 28.000 € Gesamtzins
Schritt 2: Was kann die Bank heute am Markt verdienen?
1,20 % von 200.000 € = 2.400 € pro Jahr
Für 5 Jahre:
5 × 2.400 € = 12.000 € Gesamtzins
Schritt 3: Zinsverlust der Bank
28.000 € – 12.000 € = 16.000 €
Schritt 4: Abzug von Risiko- und Verwaltungskosten
(Meist 0,03 – 0,05 % pro Jahr; hier Beispiel: 0,04 %)
0,04 % von 200.000 € = 80 € pro Jahr
80 € × 5 Jahre = 400 € ersparte Kosten
Das muss die Bank abziehen!
16.000 € – 400 € = 15.600 €
Schritt 5: Berücksichtigung der Sondertilgung
Der Darlehensnehmer hätte jährlich 5.000 € tilgen dürfen – die Bank muss das berücksichtigen.
5 × 5.000 € = 25.000 € mögliche Sondertilgung
2,8 % von 25.000 € = 700 € pro Jahr
Da der Kredit durch normale Tilgung sowieso sinkt, ist der echte rechnerische Unterschied sogar etwas größer als 700 €, weil sich die Zinsstaffel anders entwickelt.
→ vereinfacht gerechnet reduziert das den Zinsverlust um rund 1.000 €
15.600 € – 1.000 € = 14.600 €
Ergebnis: Vorfälligkeitsentschädigung
Die Bank darf ca. 14.600 € verlangen.
Kredit optimal beenden: Schritt-für-Schritt
Schritt 1 — Erste Bestandsaufnahme
- Unterlagen sammeln
- Darlehensvertrag (inkl. Zinsbindungsende, Tilgung, Sondertilgungsrechte)
- Aktueller Kontoauszug über Restschuld / Ablösebetrag (Ablösebestätigung der Bank anfordern)
- Nachweise über bereits geleistete Sondertilgungen
- Letzte Zinsabrechnung / Jahresaufstellung
- Wichtige Daten notieren
- Restschuld (€)
- Aktueller Sollzins (%)
- Restlaufzeit / Ende der Zinsbindung (Datum)
- Vereinbarte Sondertilgungen (Höhe/Jahr)
- Kündigungsfristen (falls vorhanden)
Schritt 2 — Prüfen, ob kostenlose Optionen gelten
- 10-Jahres-Regel (§ 489 BGB): Liegt die vollständige Darlehensauszahlung mehr als 10 Jahre zurück? Falls ja: Kündigung mit 6-monatiger Frist möglich — keine Vorfälligkeitsentschädigung.
- Bauspar-/variable Zinsklausel: Handelt es sich um ein Bauspardarlehen oder ist der Kredit variabel verzinst? Dann meist ohne Vorfälligkeit kündbar.
- Bankkündigung / Zahlungsverzug: Wenn die Bank kündigt, kann sie keine Vorfälligkeit verlangen — nur Verzugszinsen.
- Formfehler prüfen: Unzureichende Widerrufsbelehrung oder fehlende Angaben zur Berechnung können die Entschädigung ausschließen. (Bei Verdacht: Schritt 5)
Schritt 3 — Ablösebetrag bei der Bank anfragen
Formulieren Sie eine schriftliche Anfrage (E-Mail/Brief) an die Bank: bitte um Ablöse-/Ausstiegssaldo mit Stichtag und Angabe der enthaltenen Positionen (Zinsen, Kosten, Berechnungsweise).
Schritt 4 — Sondertilgungen ausschöpfen (sofern möglich)
- Nutzen Sie vertraglich erlaubte Sondertilgungen, bevor Sie kündigen oder umschulden wollen.
- Sondertilgungen reduzieren Restschuld und damit die mögliche Vorfälligkeit.
- Reihenfolge: Sondertilgung → Ablöseanfrage erneut einholen → Neu rechnen.
Schritt 5 — Vertraglich/formal prüfen lassen (bei Verdacht auf Fehler)
- Prüfen Sie, ob Widerrufsbelehrung oder Angaben zur Berechnung fehlen/fehlerhaft sind.
- Wenn Sie Zweifel haben: Kurzcheck durch Verbraucherzentrale oder spezialisierten Anwalt — das kann die Vorfälligkeit komplett verhindern.
Schritt 6 — Angebote einholen (Umschuldung) & vergleichen
- Falls Umschuldung geplant: mehrere Angebote von Banken/ Vermittlern einholen (Mind. 3).
- Vergleichen Sie: Effektivzins, entstehende Gebühren, Bearbeitungskosten, Bauspar-Optionen, Flexibilitäten (Sondertilgung).
- Rechnen Sie über gesamten Zeitraum (nicht nur erster Jahr): Vorfälligkeit + neue Zinskosten vs. Ersparnis.
Schritt 7 — Mit der Bank verhandeln
- Nutzen Sie folgende Argumente:
- Marktzinsentwicklung (Realistische Vergleichsangebote vorlegen)
- Fehler/Unklarheiten im Vertrag (freundlich, sachlich ansprechen)
- Zahlungsbereitschaft / schnelle Ablösung (kann verhandlungsfördernd sein)
- Fragen, die Sie stellen sollten:
- Wie genau wurde die Vorfälligkeit berechnet? (Transparente Aufschlüsselung verlangen)
- Können Verwaltungskosten reduziert werden?
- Ist eine Kulanzregel möglich?
Schritt 8 — Entscheidung treffen & Ablauf planen
- Option A — kostenfrei kündigen (z. B. 10-Jahres-Regel): Kündigungsschreiben mit Einhaltung Frist versenden.
- Option B — Sondertilgung + Ablösen: Sondertilgung leisten, Ablösebetrag überweisen/abwickeln.
- Option C — Umschuldung: neuen Kreditvertrag unterschreiben, alte Schuld tilgen (Ablöse) — erst nach Unterschrift neue Bedingungen prüfen.
- Wichtig: Zahlungen erst nach schriftlicher Ablösebestätigung leisten.
Schritt 9 — Durchführung & Nachbereitung
- Lassen Sie sich die vollständige Ablösebestätigung der alten Bank geben (Datum, Betrag, Verwendungszweck).
- Bei Verkauf: Übergabeprotokoll und Löschungsbewilligung der Grundschuld sicherstellen.
- Prüfen Sie die Endabrechnung auf Rechenfehler.
- Bewahren Sie alle Dokumente (Verträge, Schreiben, Zahlungsnachweise) mindestens 10 Jahre auf.
Vorfälligkeitsentschädigung bei Hausverkauf steuerlich absetzbar
In bestimmten Fällen kann die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten steuerlich geltend gemacht werden, insbesondere wenn das Haus vermietet war und Einnahmen aus der Immobilie erzielt wurden. Die Entschädigung mindert in diesem Fall die steuerpflichtigen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wodurch Steuern gespart werden können. Es ist ratsam, alle Nachweise der Bank sorgfältig aufzubewahren und die Kosten im Rahmen der Steuererklärung korrekt anzugeben, um die steuerliche Wirkung zu nutzen.
Tipps & Tricks: Vorfälligkeitsentschädigung reduzieren oder umgehen
- Sondertilgungen nutzen → Restschuld verringern, Entschädigung sinkt
- 10-Jahres-Regel (§489 BGB) prüfen → kostenfreie Kündigung nach Ablauf der Zinsbindung
- Variable Zinsen oder Bauspardarlehen → oft ohne Vorfälligkeit kündbar
- Vertrag auf Fehler prüfen → fehlerhafte Widerrufsbelehrung oder unvollständige Berechnungsangaben können Entschädigung ausschließen
- Berechnung der Bank professionell prüfen lassen → ggf. zu hohe Forderung reduzieren
- Umschuldung oder Immobilientausch → neue Finanzierung kann Vorfälligkeit minimieren
- Kombination der Maßnahmen → oft hohe Einsparungen möglich
FAQ - Vorfälligkeitsentschädigung
Die Vorfälligkeitsentschädigung ist eine Gebühr, die die Bank erhebt, wenn ein Immobiliendarlehen vorzeitig zurückgezahlt wird. Sie soll den Zinsverlust der Bank ausgleichen.
Die Vorfälligkeitsentschädigung muss gezahlt werden, wenn Sie ein Immobiliendarlehen vorzeitig zurückzahlen und keine Ausnahmeregelung greift. Das bedeutet konkret:
- Sie lösen Ihr Darlehen vor Ablauf der Zinsbindung vollständig ab.
- Es handelt sich nicht um ein Bauspardarlehen oder einen variabel verzinsten Kredit, die oft ohne Entschädigung kündbar sind.
- Die 10-Jahres-Frist (§489 BGB) ist noch nicht abgelaufen.
- Es liegen keine formalen Fehler im Vertrag vor, z. B. fehlerhafte Widerrufsbelehrung oder fehlende Angaben zur Berechnung.
- Die Bank hat keine Kündigung wegen Zahlungsverzug ausgesprochen (dann darf sie nur Verzugszinsen verlangen, keine Vorfälligkeit).
Die Bank berechnet sie anhand der Restschuld, des Sollzinses, der Restlaufzeit und des Refinanzierungszinses.
Faustformel:VFE ≈ Restschuld × (ursprünglicher Zinssatz − aktueller Marktzins) × Restlaufzeit / 2
- Restschuld: 150.000 €
- Urspr. Sollzins: 3,0 %
- Aktueller Vergleichszins: 1,2 %
- Restlaufzeit: 6 Jahre
Faustformel: 150.000 × (3,0% − 1,2%) × 6 / 2 =
150.000 × 1,8% × 3 = 150.000 × 0,018 × 3 = 8.100 € (näherungsweise Vorfälligkeitsentschädigung)
- Schritt 1: Bank informieren und Berechnung der Vorfälligkeit anfordern
- Schritt 2: Prüfen, ob kostenfreie Optionen (10-Jahres-Regel, Bauspar-/variabler Kredit) gelten
- Schritt 3: Kosten-Nutzen-Rechnung durchführen
- Schritt 4: Sondertilgungen nutzen
- Schritt 5: Eventuell Umschuldungsangebote einholen
- Schritt 6: Mit der Bank verhandeln
- Schritt 7: Entscheidung treffen und Ablöse durchführen
Ja, wenn die Zinsersparnis höher ist als die Vorfälligkeitsentschädigung plus eventuelle Gebühren. Eine genaue Berechnung ist daher unbedingt notwendig.
- Durch Sondertilgungen vor Ablöse
- Durch rechtliche Prüfung bei Fehlern im Vertrag
- Verhandlung mit der Bank über Kulanz oder niedrigere Verwaltungskosten
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