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Das Tiny House – Neue Wohnformen, Folge 2

Inhaltsverzeichnis

Das Tiny House: Small is beautiful – die Lebensmaxime der Tiny House Bewohner

Es gibt viele Gründe, warum man sich ernsthaft für ein Tiny House interessieren kann, aber nur wenige, die auch tragfähig genug sind, um das Interesse in die Tat umzusetzen - jedenfalls, wenn Sie in einem solchen Mini House auch richtig wohnen wollen. Deshalb sollten Sie selbstkritisch prüfen, ob Sie ein „Tiny House-Typ“ sind – und das hat viel mit Psychologie zu tun. Beispielsweise sollten Sie 

  • in der Lage sein, sich von den allermeisten Sachen zu trennen, von denen Sie glauben, dass Sie sie entweder unbedingt brauchen oder Ihnen ans Herz gewachsen sind. Zwar gibt es erstaunlich viel Stauraum, aber den brauchen Sie für das Wesentliche z.B.: Bettwäsche, Handtücher, Geschirr, Kleidung, Schuhe u.s.w. 
  • zeitweises Alleinsein gut ertragen können, wenn Sie auch tatsächlich allein leben bzw. wohnen wollen.
  • ein sehr sozial-verträglicher Typ sein, wenn Sie mit einem Partner oder einer Partnerin in einem Tiny House leben wollen. Für manche Menschen ist die ständige unmittelbare Nähe einer anderen (auch geliebten) Person sehr schnell belastend und führt rasch zu Missstimmungen.   
  • kein Problem damit haben, etwas abgeschieden zu wohnen, weil viele Grundstücke z.B. auf ehemaligen Campingplätzen oder außerhalb von Ortschaften liegen  
  • sich möglichst nicht aus der Not heraus für diese Wohnform entscheiden, zumindest nicht auf Dauer. Und als Übergangslösung dürfte der Kauf  eines Tiny House zu teuer sein.
  • ernsthaft eine Tiny House Lösung in Betracht ziehen, wenn Sie ein Gartengrundstück mit Baurecht für ein Wochenend-Häuschen besitzen.

Das Tiny House: Menschen mit den besten Chancen auf glückliches Wohnen im Tiny House

Personengruppen, die am ehesten für diese neue Wohnform infrage kommen sind folglich Menschen, die

  • als angehende Studenten von Zuhause aus- und zum Studium in eine andere Stadt ziehen. Ein Tiny House – die bei weitem bessere Alternative zu einer Studentenbude, weil unabhängiger und immer „sturmfrei“.
  • sich aus Altersgründen reduzieren möchten, aber noch fit genug sind, eigenverantwortlich zu leben und sich selbst zu versorgen. 
  • für alles Neue, Ungewöhnliche und Kreative aufgeschlossen sind, das ihre Unabhängigkeit unterstützt und fördert.
  • einen zeitweisen „Fluchtpunkt“ brauchen - von der Familie, von der Arbeit, von den Nachbarn oder ganz einfach zur Selbstbesinnung und zum Auftanken. 
  • aus seelisch-geistigen Überzeugungen bewusst eine Abkehr vom gewohnten Leben vollziehen wollen. Dabei sollte aber eine schmerzliche Trennung vom Lebenspartner kurz zuvor keine Rolle spielen, da das Depressionsrisiko bei dieser Lebensform groß wäre.

Das Tiny House: Jetzt aber in die Praxis: Was ist eigentlich ein Tiny House?

Zur leichteren Unterscheidung und Entscheidungsfindung gilt es, zunächst 4 Kategorien kurz zu erläutern:

  • Das „klassische“ Tiny House ist auf ein 2-Achs-Anhängergestell montiert. 2 Achsen wegen der besseren Horizontalstabilität und des zulässigen Gesamtgewichts, das jedoch nicht mehr als 3,5 t betragen darf. Das ist das „Tiny House on Wheels“ (THoW). Die Montageart begrenzt naturgemäß die Abmessungen, damit das Häusle im öffentlichen Straßenverkehr bewegt werden darf.
  • Man kann es auch Mini House nennen: das Tiny House ohne Räder. Das wird auf eine solide Betonplatte stationär fest montiert, kann aber bei Bedarf von einem Autokran auf einen Lkw zum Transport gehievt werden.
  • Das Modulhaus hat weitgehend die gleichen Eigenschaften wie das Mini House. Bietet aber seitens des Herstellers, wie der Name schon sagt, weitere Module zur Erweiterung an. Das setzt voraus, dass vorab die Erweiterung mit eingeplant wird, damit sie zum gegebenen Zeitpunkt problemlos umgesetzt werden kann.
  • Als Containerhaus bezeichnet man eine kompakte Wohnstatt auf Basis eines Seefracht-Containers, den man selbst ausbauen oder auch fertig ausgestattet kaufen kann. Lesen Sie mehr zum Containerhaus hier. 

Das Tiny House: Wie groß sollte ein Mini House sein und was kostet es?

Die Frage nach der Größe und den Kosten hängt naturgemäß von einer ganzen Reihe von Faktoren ab. Dazu die Fragen:

  1. Wollen Sie ein fertiges Tiny House kaufen? 
  2. Wollen Sie es selbst bauen?
  3. Wie groß soll es sein (LxBxH, Wohn- bzw. Grundfläche in qm)?
  4. Welche Ausstattung soll es haben?
  5.  Soll es autark oder außenanschlussfähig sein für Strom, Wasser, Abwasser?
  6. Soll es mobil auf Rädern oder stationär sein?

Schon an den Fragen sehen Sie die Vielfalt an Möglichkeiten und Optionen, die Sie sich entweder durch Selbstbau „maßgeschneidert“ oder anhand eines fertigen Bauplans selbst oder durch Kauf eines fertigen Modells vom Hersteller erfüllen lassen können. Mittlerweile gibt es zahlreiche Anbieter mit unterschiedlichsten Entwürfen, die in der Regel dann gefertigt werden, wenn Sie sich mit dem Anbieter einig sind. Das heißt, dass Sie meistens auch noch ein paar Sonderwünsche realisieren lassen können.

Um ein paar Hausnummern zu nennen: Es gibt Mini, um nicht zu sagen Micro Houses mit 10 qm Wohnfläche, die den Anspruch erheben, dass man darin wohnen kann. - Ja, vielleicht zwei oder drei Nächte. 

Wohnen, das auch den Namen verdient hat, beginnt bei mindestens 16 qm, wobei die Wohnfläche auch auf zwei Ebenen verteilt sein kann, so dass die Grundfläche kleiner sein kann. Es gibt auch Mini Houses, die bei 45 qm schon ganz schön Maxi sind – allerdings auch beim Preis!

Zum Preis - wie gesagt, als Hausnummer zu verstehen: Unter 35.000 Euro gibt’s nix. Es sei denn in einem Ausbauzustand, wo noch gehörige Eigenleistung nötig ist. Das kann aber zur Erfüllung individueller Wünsche für begabte Heimwerker durchaus reizvoll sein. Nach oben ist das Angebot offen. Für etwa 140.000 Euro erhalten Sie ein „ausgewachsenes“ und voll ausgestattetes Tiny House auf dem Trailer.

Hinsichtlich der Gestaltung sind der Kreativität ebenfalls keine Grenzen gesetzt. Von Space-Design bis Zirbelstube gibt’s auch hier alles.

Das Tiny House: Frage: Braucht’s für ein Tiny House eine Baugenehmigung?

1. Teil-Antwort: Es kommt darauf an! - Und zwar zunächst einmal darauf, ob es ein THoW ist oder keine Räder hat, also ein Fundament als Untergrund braucht. 

Ein Haus auf einem Trailer wird verkehrsrechtlich als Fahrzeug eingestuft, wenn es mit dem Anhänger fest verbunden ist. Dann wird es einem Wohnwagen gleichgestellt und Sie benötigen eine entsprechende Betriebsgenehmigung. Beim Kauf sollten Sie dafür die Typzulassung vom Hersteller erhalten.
Wenn es nicht fest verbunden ist, das heißt, wenn es ohne Werkzeug von dem fahrbaren Untergestell (Trailer oder Tieflader-Anhänger) genommen werden kann, dann ist es eine Ladung und sobald es abgeladen ist, ein Mini House, für das dann die baurechtlichen Vorschriften gelten. Beim Transport des Mini House ist allerdings auf eine vorschriftsmäßige Ladungssicherung zu achten.

2. Teil-Antwort, ob es eine Baugenehmigung braucht: Auch hier gilt, es kommt darauf an! - nämlich auf die drei Kriterien

  • Wohnwagen-Nutzung
  • Kurzzeit-/gelegentliche Nutzung als Wochenend- oder Ferienhaus
  • Dauerhafte Nutzung

Bei der Wohnwagen-Nutzung mit entsprechender Betriebserlaubnis gilt das Tiny House on Wheels (THoW) als Fahrzeug. Dafür brauchen Sie natürlich keine Baugenehmigung. Sie können sich damit allerdings auch nicht überall hinstellen, wo es Ihnen gefällt. Denn es gelten die Nutzungsbedingungen für Wohnwagen. Folglich können Sie sich auf die meisten Campingplätze stellen. Wie lange, ist u.U.Verhandlungssache. 

Die gelegentliche Nutzung als Wochenend- oder Ferienhaus braucht ein Grundstück, das diese Art der Nutzung ausdrücklich erlaubt. Im Rathaus der jeweiligen Gemeinde erfahren Sie das. Bei diesen oft außerhalb und sehr naturnah gelegenen Gebieten können Sie oft den Vorteil nutzen, dass Sie keine Baugenehmigung brauchen, wenn Sie eine Gebiets-Grundfläche von weniger als 50 qm beanspruchen. Wermutstropfen: Der „Bauplatz“ muss trotzdem erschlossen sein. Das Argument, dass Ihr Haus autark sei, wird idR nicht anerkannt.

Wenn Sie eine Nutzung für dauerhaftes Wohnen beabsichtigen, brauchen Sie eine Baugenehmigung. Deshalb ist es notwendig, bevor Sie überhaupt Ihren Traum vom kleinen aber feinen Häusle verwirklichen, folgendes zu klären:

  • Wo gibt es ein Gebiet, das diese neue Wohnform zulässt?
  • Entspricht Ihr künftiges Heim der Landesbauordnung?
  • Welche örtlichen Bauvorschriften gelten und entspricht ihnen Ihr Haus? 

Mittlerweile gibt es in ganz Deutschland zahlreiche kommunale Initiativen von Bad Segeberg im Norden über Coburg bis Isny im Süden, die speziell für neue Wohnformen Gebiete planen oder schon anbieten. Überall sonst, wo Baugebiete ausgewiesen werden, ist es dringend ratsam, mit der örtlichen Baubehörde ins Gespräch zu kommen und gegebenenfalls eine Bauvoranfrage einzureichen. Erst wenn Ihr Projekt Aussicht auf Zulassung hat, beauftragen Sie einen so genannten Bauvorlagenberechtigten (z.B. ein Architekt oder Bauingenieur) den Bauantrag einzureichen. Der wird Ihnen zuvor schon sagen, welche Unterlagen dafür erforderlich sind, u.a. detailgenaue Baupläne entweder von Ihrem selbst realisierten Bauvorhaben oder dem Objekt, das Sie von einem Hersteller fertig kaufen.

Das Tiny House: Ein Tiny House selber bauen – ganz einfach?

Der bei weitem meist verwendete Werkstoff für den Selbstbau von Tiny Häusern ist Holz: Vierkanthölzer, Spanplatten, Sperrholz … Dazu Schrauben, Nägel, Metallwinkel erhalten Sie im Baumarkt. Ja, sogar komplette Fenster und Türen gibt’s dort – eigentlich alles um loszulegen, sofern Sie sich schon um das Trailer-Fahrgestell gekümmert haben, über einen passenden Bauplan (der wegen der Statik vom Architekten zumindest überprüft wurde) verfügen und bei einem stationären Objekt die Baugenehmigung erhalten haben. Aber – auch wenn Sie ein talentierter Heimwerker sind mit einem umfangreichen Maschinenpark, sollten Sie 

  • sich auf bewährte Baupläne verlassen, die es im Internet käuflich zu erwerben gibt
  • an Workshops teilnehmen, auch wenn Sie glauben, handwerklich fit zu sein: Die Tiny House Thematik hat es in sich!
  • sich Tutorial-Videos auf Youtube ansehen
  • möglichst einen erfahrenen Schreiner an der Seite haben, der Sie berät und vielleicht auch mal mit Hand anlegt
  • einen Architekten oder Bauingenieur vor und während der Bauphase hinzuziehen, vor allem, wenn Sie individuelle Abweichungen vom Bauplan vornehmen wollen, weil diese für die Baugenehmigung dokumentiert sein müssen.

Wenn Sie glauben, dass Sie ein echter Tiny House-Typ sind und die Energie haben, die nun mal vorhanden Hürden zu nehmen, werden Sie bald ein weiteres glückliches Mitglied in der immer größer werdenden Familie der Tiny Houser sein. Toi, toi, toi!

Lesen Sie auch:
Neue Wohnformen, Folge 1: Containerhaus
Neue Wohnformen, Folge 3: Modulhaus
Neue Wohnformen, Folge 4: 3D-Drucker-Haus

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