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Was bedeutet Bebauung nach § 34 BauGB?

Inhaltsverzeichnis

Was bedeutet „im Zusammenhang bebaute Ortsteile“?

Die meisten Städte und Gemeinden sind zum Großteil nicht nach Bebauungsplänen entstanden, sondern durch eine mehr oder weniger geregelte Bebauung gewachsen. Im Baugesetzbuch werden diese Ortsteile als „im Zusammenhang bebaute Ortsteile“ bezeichnet. Die Zulässigkeit von Bauvorhaben in diesen Gebieten, beispielsweise die Bebauung einer Baulücke, regelt § 34 BauGB.

Was für Bauvorhaben gilt, die in einem solchen im Zusammenhang bebauten Ortsteil errichtet werden sollen, werden wir gleich näher ausführen. Zuvor werfen wir allerdings einen kurzen Blick darauf, was ein kein im Zusammenhang bebauter Ortsteil ist – denn diese Missverständnisse können zu großem Ärger bei Grundstückseigentümern führen und enden nicht selten in gerichtlichen Auseinandersetzungen.

Was ist kein „im Zusammenhang bebauter Ortsteil“?

Nicht jede Baulücke liegt in einem Ortsteil, der als "im Zusammenhang bebauter Ortsteil" nach § 34 BauGB definiert wird. Um Ärger zu vermeiden, sollten deshalb folgende Fragen vor dem Erwerb eines Grundstücks geklärt sein:

  1. Liegt das Grundstück tatsächlich in einem "im Zusammenhang bebauten Ortsteil" nach § 34 BauGB oder ist es Teil einer Splittersiedlung?
  2. Ist die Baulücke eventuell so groß, dass sie eine eigenständige Qualität hat und nicht bebaut werden darf?
  3. Falls das Grundstück am Ortsrand liegt: Zählt es überhaupt noch zum unbeplanten Innenbereich, der bebaut werden darf?

Die Schwierigkeit ist, dass es für die Beantwortung aller drei Fragen keine allgemein gültigen Grundsätze gibt. Es ist jeweils eine Einzelfallentscheidung, für die es aber gewisse Orientierungspunkte gibt:

  1. Abgrenzung Ortsteil vs. Splittersiedlung: Eine Bebauungsstruktur muss organisch sein und eine gewisse Anzahl von Bauten aufweisen, um als Ortsteil zu gelten. Als Splittersiedlung wird dagegen eine kleinere Ansiedlung von Bauten bezeichnet. Die Anzahl notwendiger Gebäude für einen Ortsteil ist allerdings nicht festgelegt.
  2. Abgrenzung Baulücke vs. Freifläche mit eigenständiger Qualität: Grundsätzlich muss eine Baulücke den Bebauungszusammenhang wahren. Hier gibt es durchaus Spielraum: So kann etwa auch eine Baulücke, die sich über zwei bis drei Grundstücke zieht, den Bebauungszusammenhang wahren. Entscheidend ist immer die Frage: Wird die Baulücke von der umgebenden Bebauung geprägt, oder ist sie so groß, dass sie eine eigenständige Qualität besitzt? Diese Frage kann nur durch die Feststellung vor Ort beantwortet werden.
  3. Abgrenzung Innenbereich vs. Außenbereich: Im Allgemeinen endet der bebaubare Innenbereich mit der letzten Bebauung. Bei einem Grundstück, das an das letzte Grundstück der zusammenhängenden Bebauung anschließt, entscheiden im Zweifelsfall topografische Gegebenheiten (wie Wege, Bäche, Geländekanten), ob es noch zum Innenbereich zählt. Die Grundstücksgrenzen spielen dabei keine Rolle!

Welche Bedingungen muss ein Bauvorhaben erfüllen, um nach § 34 BauGB zulässig zu sein? 

Ist die Frage geklärt, ob das Bauvorhaben überhaupt in einem Gebiet geplant ist, das als „im Zusammenhang bebauter Ortsteil“ gilt, stellt sich die nächste Frage: Welche Bedingungen muss ein solches Bauvorhaben erfüllen, um zulässig zu sein? § 34 Abs. 1 BauGB bietet darauf folgende Antwort:

Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

Das Bauvorhaben muss sich also vor allem in seine nähere Umgebung einfügen, und zwar hinsichtlich:

  • der Art und des Maßes der baulichen Nutzung, 
  • der Bauweise und
  • der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll.

Als nähere Umgebung wird der unmittelbar angrenzende Bereich an das Bauvorhaben verstanden; allerdings hängt auch hier die genaue Definition wieder vom Einzelfall ab. Zur näheren Umgebung zählt in der Regel auch die Bebauung auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

Zudem müssen durch das Bauvorhaben gesunde Arbeits- und Wohnverhältnisse gewahrt werden und das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

Nachfolgend werfen wir einen detaillierten Blick auf die verschiedenen Aspekte des Einfügens:

  • Einfügen nach der Art der baulichen Nutzung,
  • Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung,
  • Einfügen nach der Bauweise und der Grundstücksfläche,
  • Einfügen und Verunstaltungsverbot sowie
  • Zulässigkeit ohne Einfügen.

Einfügen eines Bauvorhabens nach Art der baulichen Nutzung

Nach dem bereits oben zitierten § 34 Abs. 1 fügt sich nach der Art der baulichen Nutzung nur ein Bauvorhaben ein, das sich innerhalb des vorhandenen Rahmens bewegt. Nach dieser Regel dürfte eine Gaststätte beispielsweise nur dort errichtet werden, wo sich bereits eine Gaststätte in der unmittelbaren Umgebung befindet. § 34 Abs. 2 BauGB erweitert diese Vorgaben allerdings: 

Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre […].

Das bedeutet: Entspricht die Eigenart der Umgebung einem Baugebietstyp der Baunutzungsverordnung (§§ 2–9 BauNVO), wird die Zulässigkeit nach den entsprechenden Regelungen der BauNVO beurteilt. Dadurch kann etwa eine Gaststätte in einem Gebiet, das in der Eigenart einem allgemeinen Wohngebiet entspricht, nach § 4 Abs. 2 BauNVO auch errichtet werden, wenn dort noch keine andere Gaststätte existiert.
 

Einfügen eines Bauvorhabens nach dem Maß der baulichen Nutzung

Beim Maß der baulichen Nutzung richtet sich die Zulässigkeit von Bauvorhaben nur nach § 34 Abs. 1 BauGB. Allerdings kommt es dabei vor allem auf die Maße der baulichen Nutzung an, die nach außen wahrnehmbar sind, beispielsweise Länge, Breite und Tiefe des Gebäudes. Maßstäbe wie Grundflächenzahl und Geschossflächenzahl spielen dagegen bei der Beurteilung des Einfügens kaum eine Rolle.

Bemerkenswert insbesondere für Bauherren ist an dieser Stelle, dass ein nachträglicher Dachgeschossausbau dem Einfügen nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht entgegensteht. Dieses Bauvorhaben wäre im Rahmen des § 34 BauGB auch dann zulässig, wenn das Gebäude dadurch mehr Vollgeschosse erhalten würde als die Gebäude in der näheren Umgebung. Auch die Anzahl der Wohnungen ist für das Maß der baulichen Nutzung in diesem Fall unerheblich. 

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Einfügen eines Bauvorhabens nach der Bauweise und der Grundstücksfläche

Mit dem Einfügen nach der Bauweise ist die Unterscheidung zwischen offener und geschlossener Bauweise nach § 22 BauNVO gemeint, an die sich das Bauvorhaben anpassen muss. Das heißt: Ist die nähere Umgebung von einer offenen Bauweise geprägt, muss sich auch das neue Gebäude an diese Bauweise halten. Bei geschlossener Bauweise in der Umgebung muss hingegen auch das Bauvorhaben ohne seitlichen Grenzabstand errichtet werden.

Hinsichtlich der überbauten Grundstücksfläche ist lediglich zu beachten, dass das Bauvorhaben sich harmonisch in seine Umgebung einfügen soll; eine starre Anpassung an die vorhabende Bebauung ist nicht das Ziel! Aus diesem Grund kann ein Vorhaben, das etwas größer ist als die umgebende Bebauung, ebenso zulässig sein.

Einfügen eines Bauvorhabens und Verunstaltungsverbot

Alle Länderbauordnungen beinhalten das sogenannte „Verunstaltungsverbot“. So regelt beispielsweise § 11 der Landesbauordnung Baden-Württemberg:

(1) Bauliche Anlagen sind mit ihrer Umgebung so in Einklang zu bringen, dass sie das Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild nicht verunstalten oder deren beabsichtigte Gestaltung nicht beeinträchtigen. Auf Kultur- und Naturdenkmale und auf erhaltenswerte Eigenarten der Umgebung ist Rücksicht zu nehmen.
(2) Bauliche Anlagen sind so zu gestalten, dass sie nach Form, Maßstab, Werkstoff, Farbe und Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinander nicht verunstaltet wirken.

Die Gestaltung eines Bauvorhabens darf also weder die Umgebung beeinträchtigen, noch für sich genommen „verunstaltend wirken“. Was das genau bedeutet, ist wieder Auslegungssache – das Bundesverwaltungsgericht führt als Maßstab das ästhetische Empfinden des „gebildeten Durchschnittsmenschen“ an. Der Geschmack des Baurechtsamts kann jedenfalls nicht das Kriterium für die Entscheidung sein; und die Baufreiheit ist grundgesetzlich geschützt, sodass hinsichtlich der Gestaltung zwangsläufig ein großer Spielraum gegeben sein muss.
 

Zulässigkeit eines Bauvorhabens ohne Einfügen

Ziel der Regelung, dass sich ein Bauvorhaben in seine Umgebung einfügen soll, ist nicht Gleichmacherei oder eine starre Anpassung an das Vorhabende. Auch Bauwerke, die etwa hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung von ihrer Umgebung abweichen, können sich in die Umgebung einfügen. Der durch die Umgebung vorgegebene Rahmen darf daher überschritten werden, wenn es durch die Abweichung nicht zu Störungen oder Belastungen kommt.

Eine Abweichung vom erforderlichen Einfügen sieht § 34 Abs. 3a BauGB beispielsweise auch für die „Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs“ vor. Dadurch soll es alteingesessenen Betrieben ermöglicht werden, auch unter veränderten Voraussetzungen weiterhin fortzubestehen. Voraussetzung für die Genehmigung eines solchen Vorhabens ist, dass es zum einen städtebaulich vertretbar ist und zum anderen mit öffentlichen Belangen und nachbarschaftlichen Interessen vereinbar ist.

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