Schenkung zu Lebzeiten: Pflichtteil, Pflichtteilsverzicht und Abfindung – Was macht wann Sinn?

Inhaltsverzeichnis

Testament und Testierfreiheit – beste Voraussetzungen zur individuellen Regelung des Erbes

Wenn die Errichtung eines Testaments ansteht, bietet sich für den Erblasser zunächst die Ausgangssituation, dass er völlig frei über die Verteilung seines Vermögens entscheiden kann. Auch wenn es eine gesetzliche Erbfolge gibt, kann der Erblasser aufgrund der Testierfreiheit (§§ 1937 - 1941 BGB) bestimmen, wen er im Testament berücksichtigt. Werden jedoch Erbberechtigte, also einzelne Familienmitglieder und nahe Verwandte,  nicht berücksichtigt, kann ihnen nach § 2303 ff BGB ein Pflichtteil zustehen.

Die Testierfreiheit ist demnach die Voraussetzung, dass der Erblasser entsprechend seinen individuellen Bedürfnissen und Gegebenheiten sein Erbe regeln kann.

Abfindung als Ausgleich für Pflichtteilsverzicht

Damit Vermögenswerte, insbesondere Grundbesitz und Immobilien, nicht zu Unfrieden und Streit unter den Erben führen, ist stets angeraten, dass der Erblasser schon zu Lebzeiten die Vermögensverteilung regelt – dies vor allem, wenn es mehrere Erbberechtigte gibt. 

Ein bewährtes Instrument ist die Schenkung und damit verbunden Verzichtsverträge, mit denen Pflichtteilsrechte abgetreten werden. In der Regel wird im Gegenzug zum Pflichtteilsverzicht eine angemessene Abfindung vereinbart. Somit werden zwei Risiken minimiert: zum einen Streit in der Erbengemeinschaft, wenn gegensätzliche Interessen (z.B. Verkauf versus Behalt der Immobilie) sich gegenseitig blockieren. Zum anderen wird eine im Erbfall entstehende existenzbedrohende Liquiditätsbelastung vermieden, die nicht selten zur Zerschlagung des Immobilienvermögens führt.

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Was bedeuten Erbverzicht, Zuwendungsverzicht und Pflichtteilsverzicht?

Erbverzicht bedeutet, dass der Erbberechtigte dem Erblasser gegenüber auf sein gesamtes, ihm zustehendes Erbrecht verzichtet. Dazu zählt grundsätzlich auch sein Pflichtteilsrecht. Im Gegensatz zur Erbausschlagung nach dem Erbfall erklärt der Verzichtende anhand eines notariell beglaubigten Vertrags mit dem Erblasser schon vor dem Erbfall seinen Verzicht. Das bedeutet praktisch, dass im Erbfall der Verzichtende in keiner Weise berücksichtigt wird, als ob er nicht existierte.

Ein Zuwendungsverzicht bezieht sich ausschließlich auf Zuwendungen, mit denen der Erbe im Testament oder im Erbvertrag bedacht wurde. Weder das gesetzliche Erbrecht noch das Pflichtteilsrecht sind vom Zuwendungsverzicht berührt. Ein Zuwendungsverzichtsvertrag kann vom Erblasser nur persönlich beim Notar vereinbart werden, während der Verzichtende sich vertreten lassen kann. Ist der Erblasser geschäftsunfähig, kann der Vertrag von einem gesetzlichen Vertreter geschlossen werden. Dies muss jedoch ein Familiengericht bzw. das betreffende Betreuungsgericht genehmigen.

Der Pflichtteilsverzicht ist die am häufigsten vorkommende Verzichtform. Auch sie muss zwischen dem Erblasser und einem Pflichtteilsberechtigten vertraglich und notariell beurkundet festgeschrieben werden. Die Folge eines Vertrags auf Pflichtteilsverzicht ist, dass der Verzichtende im Erbfall keinen Anspruch auf eine Pflichtteilszahlung hat. Dennoch bleibt er in der gesetzlichen Erbfolge. Als Erbe kann er beispielsweise eine vom Erblasser verfügte Zuwendung erhalten.

Der uneingeschränkte Pflichtteilsverzicht bewirkt den Verlust u.a. der Pflichtteilsrestansprüche und der Pflichtteilsergänzungsansprüche. Auf Wunsch kann sich der Pflichtteilsverzicht auch nur auf einen Teil des Pflichtteils beziehen.

Wann macht ein Pflichtteilsverzicht Sinn?

Einerseits soll der gesetzlich geregelte Pflichtteilsanspruch Erben davor schützen, dass sie auch bei einer Enterbung nicht völlig leer ausgehen. Andererseits kann das Bestehen auf Auszahlung des Pflichtteils das gesamte Erbe in seinem Bestand gefährden. Deshalb kann es für Erbberechtigte durchaus von Vorteil sein, einem Pflichtteilsverzicht zuzustimmen, da sie von einem konsistenten Erbe u.U. mehr profitieren können, z.B. durch die Vereinbarung einer (späteren) Abfindung.

Gute Gründe für einen Verzicht auf den Pflichtteil

Absicherung des überlebenden Elternteils durch das Berliner Testament. 

Wenn die Kinder gegen den überlebenden Elternteil ihre Ansprüche in Form von Auszahlungen des Pflichtteils durchsetzen wollen, kann dies den Elternteil in existenzielle Not stürzen.

Um dieser Gefahr zu begegnen gibt es zwei Möglichkeiten:

  1. Mit den im Erbfall erbberechtigten Kindern und sonstigen Personen wird zu Lebzeiten des Erblassers ein Pflichtteilsverzicht vereinbart. Die Folge ist, dass im Erbfall der Ehepartner den Pflichtteil nicht auszuzahlen braucht. Stirbt dann der überlebende Ehegatte, geht der Pflichtteil in voller Höhe auf die Pflichtteilberechtigten über. Ein Pflichtteilsverzicht ist auch nach Eintritt des Erbfalls möglich, indem der betreffende Berechtigte den Erben gegenüber den Verzicht erklärt.
  2. Sehr häufig wird von den Eltern das so genannte Berliner Testament errichtet. Dieses beruht auf Gegenseitigkeit dahingehend, dass sich die Ehepartner als Alleinerben einsetzen und erst nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten das Erbe in voller Höhe auf die Kinder und sonstigen berechtigten Erben als so genannte Schlusserben übergeht.

Das Berliner Testament schützt jedoch nicht vor Forderungen der Erben an den überlebenden Elternteil vor Auszahlung des Pflichtteils. Dieser Schutz wird weitgehend erzielt durch Einbeziehung der Pflichttteils-Strafklausel. Diese bewirkt, dass ein Erbe sich nach dem Tod auch des zweiten Elternteils wesentlich schlechter stellt, wenn er schon beim ersten Erbfall sein Pflichtteil vom alleinerbenden überlebenden Ehegatten verlangt.

Sind im Berliner Testament als Schlusserben "gemeinschaftliche Abkömmlinge" genannt, sind damit auch die Enkel eingeschossen (OLG Oldenburg, Urteil vom 11. 09. 2019, Az. 3 U 24/18).

2. Nachteil des Berliner Testaments bei der Erbschaftssteuer

Das Berliner Testament sieht vor, dass im Erbfall der überlebende Ehepartner das gesamte Erbe erhält und die Kinder von der Erbfolge ausgeschlossen sind. Das bedeutet, dass der überlebende Ehepartner den Steuerfreibetrag der Erbschaftssteuer von derzeit 500.000 Euro geltend machen kann, während ein Freibetrag für die Kinder nicht anfällt. Darüber hinaus kann der Fall eintreten, dass ein entsprechend großes Vermögen doppelt besteuert wird: Zum einen wird im ersten Erbfall der Restbetrag versteuert, der über dem Steuerfreibetrag liegt. Zum anderen fällt Erbschaftsteuer an, wenn das Restvermögen vom zweiten Ehegatten bei dessen Tod auf die Schlusserben übergeht.

Dieser Nachteil kann insbesondere bei Immobilien umgangen werden. Eine Lösung ist, zu Lebzeiten beider Ehegatten, den Kindern auf dem Wege der Schenkung das Immobilienvermögen zu übereignen.  Hierbei kann der Vorteil genutzt werden, dass eine hochwertige Immobilie in 10-Jahres-Raten überschrieben werden kann, da alle 10 Jahre ein Steuerfreibetrag von (bei Kindern) 400.000 Euro geltend gemacht werden kann. Somit könnte eine Immobilie im Wert von 800.000 Euro im Zeitraum von 10 Jahren steuerfrei an die Kinder überschrieben werden. Im Gegenzug kann dem überlebenden Ehepartner ein lebenslanges, unentgeltliches Nutzungsrecht (z.B. Nießbrauch nach §§ 1030 ff. BGB) zugesichert werden. Dadurch verringert sich der Schenkungswert und es lassen sich auch höherwertige Immobilien steuerfrei übertragen.  Darüber hinaus kann ein steuerlicher Nachteil abgemildert werden, indem im ersten Erbfall dem Kind ein Vermächtnis übertragen wird (§§ 1939 BGB).

Pflichtteilsverzicht im Rahmen der Unternehmensnachfolge

Sobald ein Familienunternehmen als Erbe zur Disposition steht, stellt sich die Frage, wer die Unternehmensnachfolge antritt. Sehr häufig ist die Zukunft des Unternehmens von einer einvernehmlichen Regelung noch zu Lebzeiten des Erblassers abhängig. Überwiegend geht es auch darum, dass nur ein Nachfolger das Unternehmen weiterführen soll. Das heißt, dass weitere Erben mithilfe eines Pflichtteilsverzichts ausgeschlossen werden müssen. Denn die Forderungen von Pflichtteilen nach dem Erbfall können das Unternehmen in die Insolvenz treiben. Daher wird in der Regel dem bzw. den Verzichtenden eine Abfindungszahlung angeboten.

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