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Was genau sind Privilegierte bauliche Veränderung? - Ansprüche der Wohnungseigentümer

Inhaltsverzeichnis

Wer hat Anspruch auf bauliche Veränderung?

Grundsätzlich kann jeder Wohnungseigentümer bauliche Veränderungen verlangen, von denen der Gesetzgeber vier benennt. Ein Recht auf eine bauliche Veränderung haben Wohnungseigentümer ferner, wenn 

  • diese von den übrigen Wohnungseigentümern akzeptiert werden oder
  • den anderen Wohnungseigentümern durch die baulichen Veränderungen keine Nachteile entstehen

Einen Anspruch auf bauliche Veränderung haben Wohnungseigentümer, handelt es sich um eine privilegierte bauliche Veränderung oder trifft einer der vorgenannten Punkte zu.

Wann spricht man von einer privilegierten baulichen Veränderung?

Dient eine bauliche Veränderung einem der vier nachstehend genannten Zwecke, kann ein Wohnungseigentümer bestimmte bauliche Veränderungen verlangen. 

WEG § 20 Absatz 2
Jeder Wohnungseigentümer kann angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die 

  1. dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen,
  2. dem Einbruchschutz,
  3. dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge und 
  4. dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität 

dienen. Über die Durchführung ist im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung zu beschließen. 

Grundsätzlich gilt jedoch: Auch wenn ein Wohnungseigentümer Anspruch auf diese Maßnahmen hat, darf er sie selbst bei dieser Rechtslage dennoch erst MIT Beteiligung der anderen Wohnungseigentümer durchführen (lassen).

Selbst, wenn es sich um die Durchführung privilegierter baulicher Veränderungen handelt, müssen die übrigen Wohnungseigentümer stets darüber beschließen. Bei solch einem Beschluss spricht man von einem Gestattungs- oder Vornahmebeschluss. Die übrigen Wohnungseigentümer müssen die bauliche Veränderung nach ihrer Wahl durch einen Beschluss gestatten. Alternativ können sie sich dazu entscheiden, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die privilegierte bauliche Veränderung für den Wohnungseigentümer, der diese verlangt, durchführt. 

Wie sieht das Prozedere einer baulichen Veränderung aus?

Sein Verlangen muss der privilegierte Wohnungseigentümer gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vorbringen und aussprechen. Hierfür ist keine besondere Form (etwa mündlich oder schriftlich) vorgeschrieben. Üblicherweise wird die Gemeinschaft durch einen Verwalter vertreten. In die Tagesordnung der nächsten Versammlung ist ein entsprechender Beschlussvorschlag aufzunehmen, der durch den Vertreter der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übernommen wird. Zusätzlich oder alternativ kann der Vertreter einen Beschluss außerhalb der Versammlung initiieren. 

Über die Art und Weise der privilegierten baulichen Veränderung mitzubestimmen, ist die Berechtigung eines jeden Wohnungseigentümers, sowohl beim Vornahme- als auch beim Gestattungsbeschluss. Im Rahmen des Interessensausgleichs und ihrem Ermessen können die Wohnungseigentümer diverse Auflagen und/oder Bedingungen aufstellen. 

Die Entscheidungsmacht der Wohnungseigentümer

Wohnungseigentümer haben eine nennenswerte Entscheidungsgewalt, so können sie beispielsweise

  • Vorgaben für bauliche Veränderungen machen, wie beispielsweise: Kabel müssen unter Putz verlegt werden oder es wird die Wahl bestimmter Materialien vorgeschrieben. Es können auch Dinge bestimmt werden, die den Außenbereich betreffen, nicht zuletzt um Kompatibilität oder ein homogenes Erscheinungsbild zu erreichen. So werden beispielsweise Markisen in einer bestimmten Farbe oder eine Wallbox (Wandladestation für E-Autos) eines bestimmten Herstellers bestimmt,
  • verlangen, dass die bauliche Veränderung denkmalschutz- und baurechtlich zulässig ist,
  • bestimmen, wie etwa bei einem Vornahmebeschluss, dass der bauwillige Wohnungseigentümer einen Kostenvorschuss in angemessener Höhe leistet,
  • den bauwilligen Wohnungseigentümer darauf verpflichten, eine Sicherheit für die Kosten eines möglichen Rückbaus zu erbringen und/oder eine Versicherung abzuschließen, die ein etwaiges Haftungsrisiko abdeckt, 
  • verlangen, dass sämtliche Verträge, die der bauwillige Wohnungseigentümer abschließt, zugunsten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sein müssen,
  • bestimmen, dass die bauliche Veränderung nur durch einen Profi durchgeführt werden wird, nicht zuletzt um eine erhöhte Reparaturanfälligkeit am gemeinschaftlichen Eigentum und um Beschädigungen zu vermeiden,
  • bestimmen, dass zum Beispiel eine Maßnahme für einen barrierefreien Zugang an einem wenig exponierten, technisch dennoch geeigneten Ort installiert wird oder dass eine Wandladestation für E-Autos (Wallbox) angebracht wird.

Wo hat die Entscheidungsmacht der Wohnungseigentümer Grenzen?

Wohnungseigentümer können einiges bestimmen, ihre Entscheidungsmacht ist jedoch nicht grenzenlos. Die Frage nach dem „Ob“ stellt sich bei der privilegierten baulichen Veränderung eines bauwilligen Wohnungseigentümer nicht (mehr), lediglich die Frage nach der Art und Weise der Durch- und Ausführung einer privilegierten baulichen Veränderung. Die Entscheidungsmacht stößt hier denn auch an ihre Grenzen: So haben die Wohnungseigentümer keine Handhabe, den Anspruch auf eine privilegierte bauliche Veränderung durch Auflagen und/oder Bestimmungen, gänzlich zu verhindern. 

Darüber hinaus müssen die Auflagen und/oder Bedingungen einer ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechen. In folgendem Beispiel wäre die ordnungsmäßige Verwaltung nicht gegeben: Bestimmen die Wohnungseigentümer eine Art und Weise oder einen Ort für die Durchführung der privilegierten baulichen Veränderung, die den durch das Grundgesetz geschützten Interessen des Anspruchstellers nicht gerecht wird.

Welche Ansprüche auf bauliche Veränderungen haben Menschen mit Behinderung?

Als Mensch mit Behinderung gelten Menschen, die seelische, geistige, körperliche Beeinträchtigungen oder Beeinträchtigungen ihrer Sinne haben. Darüber hinaus werden sie, voraussichtlich länger als 6 Monate, durch umwelt- und einstellungsbedingte Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an unserer Gesellschaft gehindert. Per Definition lässt sich eine Beeinträchtigung diagnostizieren, wenn der Gesundheits- und Körperzustand vom typischen Zustand des jeweiligen Lebensalters abweicht. Steht nach Satz 1 eine Beeinträchtigung zu erwarten, sind Menschen von Behinderung bedroht.

Bauliche Veränderungen, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderung dienen, sind zum Beispiel:

  • der Anbau eines zweiten Handlaufs
  • der Anbau eines Treppen- oder Schrägliftes inklusive notwendiger neuer Treppenausführung im Treppenhaus
  • die Installation einer Rollstuhlrampe im Eingangsbereich
  • Markierungen der Treppenstufen
  • das Aufstellen einer Rollatorenbox
  • die Installation eines Personenaufzuges
  • die barrierefreie Nutzung von Gebäuden (Informationsübermittlung muss mindestens 2 Sinne ansprechen: Akustik- und Lichtsignale)
  • angeschrägte Setzstufen

Die reine Gewährung eines Stellplatzes oder die Überlassung eines Platzes, um ein Elektromobil unterzustellen, sind hingegen keine dienenden Maßnahmen, da diese "Eingriffe" keine bauliche Veränderung darstellen.

Wann befindet sich gemeinschaftliches Eigentum im Bereich des Sondereigentums?

Um eine bauliche Veränderung vorzunehmen, ist es grundsätzlich erforderlich, die anderen Wohnungseigentümer zu beteiligen und einen Beschluss fassen zu lassen. Dies ist selbst dann der Fall, befindet sich gemeinschaftliches Eigentum im Sondereigentum, wie folgende Beispiele zeigen: 

  • Es müssen für Terrassen und Balkone barrierefreie Übergänge durch das Beseitigen von Türschwellen geschaffen werden  
  • In einer tragenden Wand muss ein Türausschnitt verbreitert werden, wodurch in die Statik des Gebäudes eingegriffen wird.

Welche Bereiche sind von privilegierter baulicher Veränderung berührt?

Ein Anspruch auf bauliche Veränderung seitens der Wohnungseigentümer besteht im Hinblick auf

  • den Einbruchschutz
  • den Anschluss an das Telekommunikationsnetz
  • eine Parabolantenne
  • Modernisierungen
  • die Mieter
  • den Klimaschutz

Einbruchschutz
Unter den Begriff des Einbruchschutzes fallen alle technischen Vorrichtungen, die die Wohnungseigentumsanlage oder aber das Sondereigentum gegen das Einbrechen oder das Eindringen unbefugter Dritter zu schützen versucht. Technische Vorrichtungen sind beispielsweise:

  • Rollläden
  • Eine Alarmanlage
  • Eine Schrankenanlage
  • Eine Schließanlage
  • Stahlgitter vor der Wohnungseingangstür
  • Bei Parterrewohnungen: Schutzgitter vor den Fenstern
  • Eine Videoanlage 
  • Eine einbruchhemmende Verglasung
  • Ein Zaun

Anschluss an das Telekommunikationsnetz
Der Begriff „Netz mit sehr hoher Kapazität“ meint  

  • entweder ein elektronisches Kommunikationsnetz, welches zu gängigen Spitzenlastzeiten eine ähnliche Netzleistung in Bezug auf die verfügbare Down- und Uplink-Bandbreite, Latenz und Latenzschwankung, Ausfallsicherheit und fehlerbezogene Parameter bietet oder
  • ein elektronisches Kommunikationsnetz, das komplett aus Glasfaser

Parabolantenne
Gemäß bisheriger Rechtsprechung kann ein Wohnungseigentümer Anspruch auf die feste Montage einer Parabolantenne haben (grundsätzlich ist die Erlaubnis für eine mobile Parabolantenne eine Frage des Gebrauchs des  gemeinschaftlichen Eigentums, nicht des Bauens am gemeinschaftlichen Eigentum. Die Handhabung dieser Regelung ist meist höchst strittig). 

Modernisierungen
Es besteht seitens der Wohnungseigentümer kein Anspruch auf die Modernisierung des gemeinschaftlichen Eigentums. Zu einer Modernisierung des gemeinschaftlichen Eigentums können die anderen Wohnungseigentümer demnach nicht gegen ihren Willen gezwungen werden. Eine denkbare Modernisierung wäre eine Maßnahme für den Klimaschutz.

Anders verhält es sich, handelt es sich lediglich um eine sogenannte „modernisierende Erhaltung“, anstatt um eine tatsächliche Modernisierung. In einem solchen Fall kann ein Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Verbesserung des gemeinschaftlichen Eigentums haben. 

BGB § 554
Der Mieter kann verlangen, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge oder dem Einbruchschutz dienen. Der Anspruch besteht nicht, wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter auch unter Würdigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden kann. Der Mieter kann sich im Zusammenhang mit der baulichen Veränderung zur Leistung einer besonderen Sicherheit verpflichten; § 551 Absatz 3 gilt entsprechend.

Mieter
Ein Mieter kann vom vermietenden Wohnungseigentümer verlangen, dass dieser ihm bauliche Veränderungen an der Mietsache erlaubt, die

  • dem Aufladen von E-Fahrzeugen,
  • dem Einbruchschutz oder 
  • dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderung dienen.

Generell gilt es hier abzuwägen. So besteht kein Anspruch des Mieters, wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter auch unter Berücksichtigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden kann. Unter diesem Gesichtspunkt besteht beispielsweise gegebenenfalls ein tatsächliches Rückbaurisiko.

Klimaschutz
Gemäß Gesetzestext hat ein Wohnungseigentümer keinen Anspruch auf bauliche Veränderungen, die dem Klimaschutz dienen. Es bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechung die Rechtslage anders beurteilt. Änderungen der Gesetzgebung sind hier für die Folgejahre des Jahres 2021 mit Sicherheit zu erwarten.

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