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Alexander Seidl

Wie funktioniert das Ertragswertverfahren?

Inhaltsverzeichnis

Das Ertragswertverfahren – was ist das?

Beim Ertragswertverfahren wird der Wert einer Immobilie anhand ihrer Erträge, wie beispielsweise Mieteinnahmen, ermittelt. Somit ist dieses Verfahren besonders für Investoren geeignet, die eine wertstabile Geldanlage suchen und mithilfe dieses Verfahrens nähere Informationen darüber erhalten können. Es gibt verschiedene Arten des Ertragswertverfahrens:

  • allgemeines Ertragswertverfahren
  • vereinfachtes Ertragswertverfahren
  • periodisches Ertragswertverfahren

Das allgemeine und das vereinfachte Ertragswertverfahren unterscheiden sich vor allem durch ihre abweichenden Rechnungen bezogen auf die unterschiedliche Addition des Bodenwerts auf den Ertragswert der Immobilie. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass beim allgemeinen Ertragswertverfahren eine getrennte Ermittlung der Gebäudewertanteile möglich ist.

Das periodische Ertragswertverfahren wird angewendet, wenn es in einem Betrachtungszeitraum zu absehbaren starken Veränderungen der marktüblich erzielbaren Erträge kommt. Der Wert wird anhand der abweichenden erzielten Reinerträge und dem Grundstückswert am Ende des Betrachtungszeitraums ermittelt.

Das Ertragswertverfahren wird in der Immobilienwertermittlungsverordnung in den Paragrafen 17 bis 20 geregelt. Im Folgenden soll vor allem auf das allgemeine Ertragswertverfahren eingegangen werden.

Wann wird das Ertragswertverfahren angewendet?

Das Ertragswertverfahren findet Anwendung, wenn ein Objekt Erträge generiert. Das heißt, es bestehen aktuelle Mieteinnahmen oder in der Zukunft sind Mieten zu erwarten.

Typische Objekte, für die die Anwendung des Ertragswertverfahrens sinnvoll ist, sind:

  • Mehrfamilienhäuser
  • Büro- und Geschäftshäuser
  • Eigentumswohnungen
  • Produktions-, Lagerimmobilien

Wie sieht die Vorgehensweise beim Ertragswertverfahren aus?

Beim Ertragswertverfahren setzt sich der Wert eines Objektes aus dem Wert der baulichen Anlage und dem Bodenwert zusammen. Beide Größen unterliegen verschiedenen Faktoren, die die Werte beeinflussen können.

Schritt 1: Reinertrag

Reinertrag = Rohertrag – Bewirtschaftungskosten

Der Rohertrag eines Objektes ergibt sich aus seinen Jahreserträgen, beispielsweise aus Mieten oder Pachten. Bei der Berechnung entscheidend ist die auf dem Markt ortsübliche Vergleichsmiete. 
Die Bewirtschaftungskosten sind sämtliche Aufwendungen eines Objektes, die über das Jahr durch die Immobiliennutzung anfallen. In diesem Schritt sind jedoch nur solche Ausgaben relevant, die nicht auf den Mieter umgelegt werden können. 

Beispiele von Bewirtschaftungskosten:

  • Instandhaltungskosten: Kosten, die durch die Alterung eines Gebäudes anfallen und für die Erhaltung der baulichen Anlage aufgewendet werden müssen
  • Betriebskosten: Kosten, die durch die Vermietung des Objekts und dessen Nutzung anfallen, zum Beispiel Kosten für die Müllabfuhr.
  • Verwaltungskosten: Kosten, die für die Verwaltung eines Grundstücks erforderlich sind, beispielsweise für erforderliche Arbeitskräfte
  • Mietausfallwagnis: Kosten, die das Risiko einer Ertragsminderung decken, beispielsweise bei Leerstand der Immobilie oder bei Ausbleiben der Miete

Schritt 2: Reinertragsanteil der baulichen Anlagen

Reinertragsanteil der baulichen Anlagen = Reinertrag – Bodenwertverzinsungsbetrag

Der Bodenwertverzinsungsbetrag ist das Produkt aus dem Bodenwert und dem Liegenschaftszinssatz. 

Der Bodenwert ist der Wert des Grundstückes ohne die Immobilie. Gutachterschüsse ermitteln Bodenrichtwerte, die in verschiedenen Karten veröffentlicht und dort zu entnehmen sind. Gibt es für ein spezielles Gebiet keine Karten, können die Werte aus einem vergleichbaren Gebiet angepasst werden.

Der Liegenschaftszinssatz ist der Zinssatz, zu dem ein Verkehrswert von verschiedenen Grundstücksarten marktüblich verzinst wird. Er spiegelt das Renditerisiko und das Investitionsrisiko anhand verschiedener Faktoren wieder. Dabei berücksichtigt er:

  • zu erwartende Mietentwicklungen
  • allgemeine Risiken
  • Konjunkturschwankungen der Marktteilnehmer

Je niedriger der Liegenschaftszinssatz, desto wertstabiler ist das Objekt und desto geringer ist das Risiko.

Schritt 3: Vorläufiger Ertragswert der baulichen Anlage

Vorläufiger Ertragswert der baulichen Anlage = Reinertragsanteil der baulichen Anlage x Barwertfaktor

Mit dem Barwertfaktor kann der gegenwärtige Wert von zukünftigen Zahlungen ermittelt werden. Er wandelt sozusagen mehrere zukünftige Zahlungen in eine gegenwärtige Einmalzahlung um. Er wird auch als Vervielfältiger bezeichnet.

Vervielfältiger = (1+i)n-1 / (1+i)n*i
i = Liegenschaftszins
n = Restnutzungsdauer

Generell kann gesagt werden, je höher die Restnutzungsdauer und je niedriger der Liegenschaftszins, desto höher der Vervielfältiger, desto höher der Wert der baulichen Anlage und desto sicherer die Investition. 

Schritt 4: Vom vorläufigen Ertragswert der baulichen Anlage zum Ertragswert

Ertragswert = vorläufiger Ertragswert der baulichen Anlage + Bodenwert +/- objektspezifische Anpassungen +/- Marktanpassungen

Ist der vorläufige Ertragswert der baulichen Anlage berechnet, wird der Bodenwert des Objektes dazu addiert. Hieraus ergibt sich anschließend der vorläufige Ertragswert. Dieser spiegelt den Wert des Objektes wieder, den es ohne Bauschäden oder Ähnlichem hätte.

Diese weiteren Merkmale müssen im weiteren Verlauf der Rechnung mit beachtet werden. Die objektspezifischen Merkmale sind zu analysieren und in der Rechnung zu berücksichtigen. Bauschäden reduzieren beispielsweise den Wert, während ein überdurchschnittlicher Erhaltungszustand den Wert erhöhen kann. 

Zusätzlich müssen noch Marktanpassungen berücksichtigt werden. Hierbei sind zum Beispiel die Lage auf dem Grundstücksmarkt oder das regionale Baupreisverhältnis zu beachten.

Fallbeispiel

Der Ertragswert eines Einfamilienhauses mit 150 Quadratmetern Wohn- und 400 Quadratmetern Grundfläche soll berechnet werden. Die ortsübliche Vergleichsmiete liegt bei 13 Euro pro Quadratmeter und der Liegenschaftszinssatz bei sechs Prozent. Es fallen Bewirtschaftungskosten in Höhe von 15 Prozent der Mieteinnahmen an. Der Bodenrichtwert liegt bei 350 Euro pro Quadratmeter. Die Restnutzungsdauer des Gebäudes beträgt 40 Jahre.

Rohertrag 
- Bewirtschaftungskosten
= Reinertrag
12 €/m2* 150m2 * 12 Monate
15% * 21600 €/Jahr
 
21.600 €
- 3.240 €
=18.360€
Reinertrag
- Bodenwertverzinsungsbetrag
= Reinertragsanteil der baulichen Anlage
 
400 m2*350 €/m2 * 0,05
 
18.360 €
- 7.000 €
=11.360€
Reinertragsanteil der baulichen Anlage
* Barwertfaktor
= vorläufiger Ertragswert der baulichen Anlage
 
(1,0540-1)/(1,0540*0,06)
 
11.360 €
* 17,12
=194.483€
Vorläufiger Ertragswert der baulichen Anlage
+ Bodenwert
+ objektspezifische Merkmale
+ Marktanpassung
= Ertragswert
  
400 m2 * 350 €/m2
 
 
   
194.483€
+140.000€
+ 0
+ 0
=334.483€

Was sind Vor- und Nachteile des Ertragswertverfahrens?

Vorteile:

  • einfache Berechnung
  • getrennte Ermittlung von der baulichen Anlage und des Bodens möglich
  • sehr gut für Kapitalanlagen geeignet

Nachteile

  • keine Berücksichtigung von veränderten Mietpreisen (beispielsweise steigenden Mieten in der Zukunft)
  • sehr abhängig vom Liegenschaftszinssatz, der nicht in allen Gemeinden vorliegt

Überblick: Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren

  Vorteile Nachteile
Sachwertverfahren
  • Sachliche Bewertung der Qualität
  • Wert von Objekten ohne Erträge kann ermittelt werden
  • komplex
  • Marktanpassung oft ungenau
  • manchmal keine Regelherstellungskosten vorhanden
Ertragswertverfahren
  • einfache Berechnung
  • sehr gut für Kapitalanlagen geeignet
  • keine Berücksichtigung von veränderten Mietpreisen (beispielsweise steigende Mieten in der Zukunft)
  • sehr abhängig vom Liegenschaftszinssatz, der nicht in allen Gemeinden vorliegt
Vergleichswertverfahren
  • einfache Berechnung
  • die Dynamik des Markts wird berücksichtigt
  • nicht für einzigartige, schwer vergleichbare Objekte geeignet
  • ohne Datenbank nur schwer durchführbar

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